EZB steuert auf Leitzinssenkung im Juni zu

veröffentlicht am 11. April 2024

EZB steuert auf Leitzinssenkung im Juni zu

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ließ in seiner Sitzung im April erwartungsgemäß alle drei Leitzinsen unverändert. Der Einlagesatz für Banken bleibt bei 4,00%, der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,50% und der Ausleihsatz bei 4,75%.

Die Formulierung des geldpolitischen Beschlusses sowie die Erläuterungen der EZB-Präsidentin lassen jedoch erwarten, dass die EZB die Leitzinsen im Juni senken wird.

So soll eine Lockerung erfolgen, wenn die Zuversicht des EZB-Rates gestärkt wird, dass sich die Inflationsraten nachhaltig dem Zielwert annähern. Dieses scheint zumindest derzeit der Fall zu sein.

Das Inflationsziel liegt bei 2,0%. Die März-Inflationsrate lag bei 2,4%. Sie wird nach Einschätzung der EZB-Präsidentin in den kommenden Monaten um den aktuellen Wert schwanken und 2025 den Zielwert erreichen.

EZB behält Löhne und Gewinne im Blick
Die Zinsentscheidungen bleiben grundsätzlich datenabhängig. Besonders wichtige Daten sind weiterhin die Veränderungen der Löhne und Gewinne. Sie sind Indikatoren für den immer noch relativ hohen inländischen Preisdruck, der vor allem von den personalintensiven Dienstleistungen ausgeht.

Die Teuerung im Dienstleistungsbereich ist zwar nach wie vor hoch. Allerdings scheint sich das Lohnwachstum nach Einschätzung der EZB langsam abzuschwächen.

Projektionen im März aktualisiert
Die EZB aktualisierte im März turnusgemäß ihre längerfristigen Projektionen. Ihnen zufolge wird die den gesamten Warenkorb erfassende Headline-Inflationsrate in diesem Jahr nur noch bei 2,3% gesehen. Sie soll 2025 auf 2,0% und 2026 auf 1,9% zurückgehen.

Die ohne die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise berechnete Kernrate der Inflation soll auf 2,6% in 2024, 2,1% in 2025 und 2,0% in 2026 sinken.

Beim Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone rechnet die EZB nur noch mit einem Plus von 0,6% in 2024 und 1,5% in 2025. Im Jahr 2026 soll das BIP um 1,6% wachsen.

Bilanzabbau wird fortgesetzt
Bezogen auf die Anleihekaufprogramme gibt es keine Änderungen. Die Bestände des APP-Anleihekaufprogramms verringern sich in einem „maßvollen und vorhersehbaren Tempo“. Die Bilanzsumme hat bereits deutlich abgenommen. Pro Monat ermäßigt sie sich um rund 30 Mrd. EUR.

Die Tilgungsbeträge aus dem Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP werden nur noch im ersten Halbjahr 2024 vollumfänglich reinvestiert. In der zweiten Jahreshälfte hält die EZB monatlich 7,5 Mrd. EUR zurück. Und zum Jahresende 2024 wird die Wiederanlage komplett eingestellt.

Inflationserwartungen stabil
Die geldpolitischen Entscheidungen der EZB hängen wie bisher von den Inflationserwartungen, den konjunktur- und preisdämpfenden Auswirkungen der bisherigen Zinsanhebungen sowie vom grundlegenden Trend der inflationären Entwicklung (underlying inflation) ab.

Die längerfristigen Inflationserwartungen sind stabil im Bereich des Zielwertes. Bei den meisten Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation ist eine Entspannung zu verzeichnen. Zudem dämpfen die hohen Zinsen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch den Preisdruck.

Inflationsrate nähert sich dem Zielwert
Die Euro-Inflationsrate ist im März auf 2,4% gesunken. Sie dürfte im gesamten Jahr 2024 die Zwei vor dem Komma behalten und könnte den Zielwert der EZB 2025 erreichen. Selbst die Kernrate dürfte 2025 nahe am Zielwert sein.

Leitzinssenkungen: Wie könnte der Fahrplan aussehen?
Die EZB will den derzeit ungewöhnlich großen Abstand zwischen Einlagesatz und Hauptrefinanzierungssatz von 50 Basispunkten bis Mitte September auf 15 Basispunkte verringern.

Vor diesem Hintergrund könnten am 6. Juni der Hauptrefinanzierungssatz und der Ausleihesatz um jeweils 25 Basispunkte auf 4,25% bzw. 4,50% reduziert werden. Der Einlagesatz bliebe bei 4,00%.

Am 18. Juli könnten dann alle drei Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte ermäßigt werden.

Am 12. September könnte der Einlagesatz auf 3,60%, der Hauptrefinanzierungssatz auf 3,75% und der Ausleihesatz auf 4,00% gesenkt werden.

Sollte die EZB im Juli eine Zinspause einlegen, was denkbar ist, lägen die Leitzinsen im September bei 3,85%, 4,00% und 4,25%.

Fazit: Die Formulierung des geldpolitischen Beschlusses sowie die Erläuterungen der EZB-Präsidentin lassen erwarten, dass die EZB die Leitzinsen im Juni senken wird.