- Stimmung gemäß ifo Geschäftsklimaindex im Juni zum sechsten Mal in Folge verbessert
- 2025Q1 wegen vorgezogener Exporte mit gutem Wachstum von 0,4%
- Wirtschaft zuvor 3 Jahre in der Dauerstagnation
- Erwartung für 2025 noch durch Handelskonflikt eingetrübt
- Ausblick auf Trendwende und nennenswertes Wachstum durch deutsches Fiskalpaket erst ab 2026 zu erwarten
Ifo Geschäftsklimaindex: sechster Anstieg in Folge
Der Geschäftsklimaindex vom Münchener ifo Institut erreichte im Dezember 2024 den tiefsten Stand seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Im aktuellen Jahr erholte er sich nun aber sechs Monate in Folge. Im Juni legte das Klima um 0,9 auf 88,4 Punkte zu und lag damit etwas über der Markterwartung von 88,2 Zählern. Innerhalb der Subkomponenten verbesserte sich die Lageeinschätzung kaum (+0,1 auf 86,2 Punkte; Markterwartung: 86,5) und die Erwartungen legten überraschend stark zu (+1,7 auf 90,7 Punkte; Markterwartung: 90,0).
In allen Sektoren verbesserte sich die Einschätzung, wenngleich in unterschiedlichem Maße. Der Dienstleistungssektor machte mit 4,2 Punkten den größten Sprung. Es folgt das Bauhauptgewerbe mit einem Plus von 3,0 Zählern und der Handel mit 1,1 Punkten. Die geringste Verbesserung gab es mit 0,1 Zählern im verarbeitenden Gewerbe. Damit ist der Dienstleistungssektor nun als erster Bereich über die Wachstumsschwelle gerutscht.
Im letzten halben Jahr legte der ifo Geschäftsklimaindex aggregiert um 3,6 Punkte zu. Insgesamt haben wir es also mit einem langsamen aber erstaunlich konstanten Verbesserungsprozess zu tun. Die Unternehmer scheinen noch vorsichtig zu sein, aber allmählich Zuversicht zu schöpfen.

BIP-Wachstum im 1.Quartal 2025: Positiv
Gemäß destatis stieg die Bruttowertschöpfung in Deutschland im 1.Quartal 2025 real um 0,4%. Dies übertraf die Konsensschätzung und auch unserer Prognose. Damit folgt auf den negativen letzten Dreijahresabschnitt (wieder einmal) eine positive Veränderungsrate. Zum Vorjahresquartal bedeutet dies kalenderbereinigt keine Veränderung (0,0%). Zu goutieren ist, dass das Wachstum sowohl aus den privaten Konsumausgaben als auch aus den Investitionen kommt. Allerdings hat auch der Außenbeitrag durch starke (vorgezogene) Exporte einen deutlich positiven Effekt gehabt, der sich im laufenden Quartal umkehren dürfte. Wenn er das Gesamtwachstum ins Negative dreht, würde es kurioserweise damit in die bisherige Reihe von sich abwechselnden positiven und negativen Veränderungsraten passen.

Deutsche Konjunktur in der Vergangenheit: Dauerstagnation
Die letzten drei Jahre könnte man getrost als „Wellblechökonomie“ bezeichnen. In dieser Zeit wechselten sich positive und negative BIP-Veränderungsraten quartalsweise ab. Die Wirtschaftsleistung befindet sich derzeit auf dem gleichen Niveau wie vor der Corona-Pandemie Ende 2019. Eine Reihe verschiedener Faktoren führte zu dieser Dauerstagnation. Grundsätzlich fand die europäische Wirtschaft aufgrund der starken internationalen Verflechtungen und beeinträchtigter Lieferketten nur langsam aus der Pandemie heraus. Der Angriff auf die Ukraine 2022 bedeutete ein Ende der günstigen Energie aus Russland. Wohl am wichtigsten war aber der wegbrechende Absatzmarkt in China. Das Land in Fernost machte deutliche Fortschritte in der Forschung und Entwicklung und bedient die Automobilnachfrage nun zunehmend mit heimischen Produkten. In der jüngsten Vergangenheit sorgte der ungewisse politische Rahmen für zurückhaltende Verbraucher, die Reallohngewinne für hohe Sparquoten und nicht für Inlandskonsum nutzten.
Arbeitsmarkt: langsam steigende Arbeitslosenquote
Seit den Höchstständen 2005 kannte man in Deutschland fast nur noch eine fallende Arbeitslosenquote. Mit der Dauerstagnation kam aber auch eine langsame Abkühlung am Arbeitsmarkt. Zwar dürfte der Effekt durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsalter und den Fachkräftemangel in einzelnen Branchen etwas abgefedert werden. Doch ist der Trend einer allmählich steigenden Arbeitslosenquote nicht zu übersehen. Außerdem entstehend neue Jobs eher in kaum skalierbaren Bereichen, wie der Pflege, während sie im verarbeitenden Gewerbe verloren gehen. Im Mai verharrte die Arbeitslosenquote bei 6,3%.

ZEW-Index: Auf Erholungskurs
Der ZEW-Indikator verschlechterte sich im April dramatisch, schien aufgrund seiner Umfrage-Struktur das Bild aber zu überzeichnen. Entsprechend kam es im Mai zu einer Gegenbewegung. Im Juni verbesserte sich die Konjunkturerwartung abermals über das erwartete Niveau hinaus (+22,3 auf 47,5 Punkte; Markterwartung: 35,0). Die Lageeinschätzung fiel dagegen etwa so aus, wie erwartet (+10,0 auf -72,0 Punkte; Markterwartung: -75,0). Auch wenn sie sich verbessert hat, rangiert die Lageeinschätzung weiterhin auf ähnlichen Niveaus wie zu Zeiten handfester Krisen, wie im Mai 2020 (Corona), April 2009 (Finanzkrise) und in den Jahren 2002 bis 2005 (Konjunkturschwäche).

GfK Konsumklima: tritt auf der Stelle
Das GfK Konsumklima für Juli zeigte kaum eine Veränderung. Der Konsens war dagegen von einer Verbesserung ausgegangen. Die Einkommenserwartung erhöhte sich und die Anschaffungsneigung fiel minimal besser aus als im Vormonat. Da die Sparneigung aber wieder zunahm, verschlechterte sich das Konsumklima um 0,3 auf -20,3 Punkte. Die Konjunkturerwartung, die nicht Teil dieses aggregierten Klimas ist, verbesserte sich deutlich und liegt mit 20,1 Zählern im Juni so hoch wie seit drei Jahren nicht mehr.

Ausblick für die deutsche Konjunktur: Trendwende (noch) aufgeschoben
Aufgrund der vielfältigen politischen Einflüsse ist es schwierig einen zugrundeliegenden fundamentalen Trend für die zukünftige Entwicklung auszumachen. Einerseits dürfte das jüngst beschlossene Sondervermögen aufgrund seines enormen Umfangs – alleine die 500 Mrd. Euro für Infrastruktur machen ca. 12% des heutigen BIP aus – das Wachstum signifikant anheben. Die unmittelbare Wirkung, die rund 2 Prozentpunkte p.a. betragen könnte, dürfte sich allerdings erst in 3 bis 4 Jahren entfalten. Die Aussicht darauf und ein Ende der politischen Lähmung könnte aber schon zuvor den privaten Sektor hinsichtlich Investitionen und Konsum mobilisieren.
Andererseits wird der Handelskonflikt mit den USA das noch immer exportorientierte Geschäftsmodell der Bundesrepublik beeinträchtigen und die BIP-Veränderung nach unten ziehen. In der Annahme, dass US-Zölle auf deutsche Produkte durchschnittlich 10% betragen könnten, schätzen wir den Effekt auf knapp -0,5 Prozentpunkte. In Summe gehen wir daher von einer Stagnation, also einem Wachstum von 0,0% im laufenden Jahr aus. Im Jahr 2026 sollte es aber erstmals wieder ein nennenswertes Wachstum geben. Zum einen hebt der Kalendereffekt die BIP-Steigerung bereits um 0,3 Prozentpunkte, zum anderen sollten die Weichenstellungen (u.a. Infrastrukturpaket, Sonderabschreibungsmöglichkeiten, Industriestrompreis) der neuen Regierung erste positive Ergebnisse zeigen.
Prognosen auf einen Blick

Exkurs Sondervermögen: kurzfristig überschätzt, langfristig unterschätzt
Im März haben die Sondierer von Union und SPD mit Unterstützung der Grünen beschlossen, Verteidigungsausgaben über 1% des BIP von der Schuldenbremse auszunehmen und ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro über 12 Jahre für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 einzurichten. Wie ist dies einzuordnen?
In Relation zum BIP 2024 in Höhe von 4.305 Mrd. entsprechen 500 Mrd. Euro knapp 12%. Bei einer Gleichverteilung über 12 Jahre könnten damit 1% der Wirtschaftsleistung zusätzlich investiert werden. Der Fiskalmultiplikator, also um wie viel das BIP angekurbelt wird, wenn 1 Euro mehr Staatsausgaben getätigt werden, wird für Infrastruktur in der Wissenschaft selten unter 1,5 und eher zwischen 2 und 3 gesehen. Für Verteidigungsausgaben wird er meist zwischen 0,5 und 1,5 angenommen. Die Höhe hängt dabei an vielen Faktoren, z.B. an den wirtschaftlichen Bedingungen (in Schwächephasen mit hoher Arbeitslosigkeit können eher ungenutzte Ressourcen mobilisiert werden), der Finanzierungsweise (durch Schulden oder durch Steuererhöhungen) sowie letztlichen der Auswahl und Effizienz der Projekte (Wiederherstellung ursprünglicher Bedingungen oder Forschung & Weiterentwicklung).
Wenn die Staatsaugaben investiv und nicht konsumtiv sein sollen, wird zudem eine administrative Anlaufphase notwendig sein. Der Zyklus von Planung über Genehmigung und Vergabe bis hin zur Umsetzung sind bekanntlich lang – und je größer und komplexer die Projekte, desto länger die Phasen. Entsprechend dürften die Ausgaben erst in 3 bis 4 Jahren voll hochgefahren worden sein.
Für eine konservative Herangehensweise gehen wir vom unteren Ende der genannten Bandbreite aus. Zudem nehmen wir an, dass für Verteidigung ebenfalls rund 500 Mrd. Euro über 12 Jahre ausgegeben werden. Unter all diesen Annahmen würde die Wirtschaftsleistung 2028/2029 letztlich um 2 Prozentpunkte pro Jahr nach oben geschraubt.
Ein Sondervermögen von 500 Mrd. bzw. 1 Bio. Euro bedeutet viele neue Schulden. Zudem fehlen Strukturreformen zu Bürokratieabbau, Renten-, Energie- und Klimapolitik, die das Fiskalpaket flankieren würden bislang noch gänzlich. Doch bleibt auch festzuhalten, dass das Infrastrukturpaket dem entspricht, was viele Ökonomen lange Zeit gefordert haben. Angesichts der Dimensionen könnte der Effekt auf die Wirtschaftsleistung aktuell noch unterschätzt sein.