- Wirtschaft zuletzt in der Dauerstagnation
- Stimmung gemäß ifo Geschäftsklimaindex leicht verbessert
- Erwartung für 2025 durch Handelskonflikt eingetrübt
- Ausblick auf Trendwende und nennenswertes Wachstum ab 2026
Deutsche Konjunktur in der Vergangenheit: Dauerstagnation
Die letzten drei Jahre könnte man getrost als „Wellblechökonomie“ bezeichnen. In dieser Zeit wechselten sich positive und negative BIP-Veränderungsraten quartalsweise ab. Die Wirtschaftsleistung befindet sich derzeit auf dem gleichen Niveau wie vor der Corona-Pandemie Ende 2019. Eine Reihe verschiedener Faktoren führte zu dieser Dauerstagnation. Grundsätzlich fand die europäische Wirtschaft aufgrund der starken internationalen Verflechtungen und beeinträchtigter Lieferketten nur langsam aus der Pandemie heraus. Der Angriff auf die Ukraine 2022 bedeutete ein Ende der günstigen Energie aus Russland. Wohl am wichtigsten war aber der wegbrechende Absatzmarkt in China. Das Land in Fernost machte deutliche Fortschritte in der Forschung und Entwicklung und bedient die Automobilnachfrage nun zunehmend mit heimischen Produkten. In der jüngsten Vergangenheit sorgte der ungewisse politische Rahmen für zurückhaltende Verbraucher, die Reallohngewinne für hohe Sparquoten und nicht für Inlandskonsum nutzten.

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Arbeitsmarkt: langsam steigende Arbeitslosenquote
Seit den Höchstständen 2005 kannte man in Deutschland fast nur noch eine fallende Arbeitslosenquote. Mit der Dauerstagnation kam aber auch eine langsame Abkühlung am Arbeitsmarkt. Zwar dürfte der Effekt durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsalter und den Fachkräftemangel in einzelnen Branchen etwas abgefedert werden. Doch ist der Trend einer allmählich steigenden Arbeitslosenquote nicht zu übersehen. Außerdem entstehend neue Jobs eher in kaum skalierbaren Bereichen, wie der Pflege, während sie im verarbeitenden Gewerbe verloren gehen. Im März ist die Arbeitslosenquote leicht auf 6,3% gestiegen.

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Ifo Geschäftsklimaindex: verbessert, aber noch auf niedrigem Niveau
Der Geschäftsklimaindex vom Münchener ifo Institut erreichte im Dezember 2024 den tiefsten Stand seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Im neuen Jahr erholte er sich nun aber vier Monate in Folge. Im April legte das Klima um 0,2 auf 86,9 Punkte zu und übertraf damit die Markterwartung von 85,2 Zählern. Die Lageeinschätzung verbesserte sich überraschenderweise (+0,7 auf 86,4 Punkte; Markterwartung: 85,5) und die Erwartungen trübten sich nicht so stark ein wie befürchtet (-0,3 auf 87,4 Punkte; Markterwartung: 85,0). Die einzelnen Sektoren zeigten dabei ein differenziertes Bild. Das Bauhauptgewerbe legte um 2,4, der Dienstleistungssektor um 0,3 Zähler zu. Das verarbeitende Gewerbe büßte 1,5 und der Handel 3,2 Punkte ein. Angesichts möglicher neuer Aufträge im Rahmen des Sondervermögens einerseits und Gegenwind aus dem Außenhandel andererseits, ist dies wenig überraschend. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass alle Sektoren noch unterhalb der Wachstumsschwelle liegen.

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ZEW-Index: Konjunkturerwartung verbessert, mehr aber noch nicht
Der ZEW-Indikator verschlechterte sich im April dramatisch. Der Rückgang der Konjunkturerwartung ging sogar deutlich über das erwartete Niveau hinaus (-65,6 auf -14,0 Punkte; Markterwartung: 9,5). Dies ist aber wohl auf den „Herdentrieb“ zurückzuführen, den die Konzeption der Befragung mit einem Fokus auf die Makro-Perspektive provoziert. Angesichts des Zoll-Chaos wird kaum ein Ökonom bei der Umfrage das Kästchen „Verbesserung der Lage“ ankreuzen. Es kann aber durchaus auf Mikro-Ebene einzelne Profiteure geben, die in der aktuellen Lage Chancen für sich erkennen. Die Lageeinschätzung verbesserte sich dagegen überraschend (+6,4 auf -81,2 Punkte; Markterwartung: -86,8). Dies ist womöglich aber nur eine Neubewertung der aktuellen Lage angesichts der noch trüberen Aussichten. Insgesamt rangiert die Lageeinschätzung jedoch weiterhin auf ähnlichen Niveaus wie zu Zeiten handfester Krisen, wie im Mai 2020 (Corona), April 2009 (Finanzkrise) und in den Jahren 2002 bis 2005 (Konjunkturschwäche).

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GfK Konsumklima: überraschend ohne Verbesserung
Das GfK Konsumklima ist für April überraschend stagniert, der Konsens war von einer relevanten Verbesserung ausgegangen. In der ersten Erhebung nach den Neuwahlen zum Deutschen Bundestag verbesserten sich zwar die Einkommenserwartung und die Anschaffungsneigung etwas. Doch weil die Sparneigung zulegte, verbesserte sich das Konsumklima nur um 0,1 auf -24,5 Punkte. Die Konjunkturerwartung, die nicht Teil dieses aggregierten Klimas ist, verbesserte sich vergleichsweise deutlich von 1,2 im Februar auf 6,9 im März.

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Ausblick für die deutsche Konjunktur: warten auf die Trendwende
Aufgrund der vielfältigen politischen Einflüsse ist es schwierig einen zugrundeliegenden fundamentalen Trend für die zukünftige Entwicklung auszumachen. Einerseits dürfte das jüngst beschlossene Sondervermögen aufgrund seines enormen Umfangs – alleine die 500 Mrd. Euro für Infrastruktur machen ca. 12% des heutigen BIP aus – das Wachstum signifikant anheben. Die unmittelbare Wirkung, die rund 2 Prozentpunkte p.a. betragen könnte, dürfte sich allerdings erst in 3 bis 4 Jahren entfalten. Die Aussicht darauf und ein Ende der politischen Lähmung könnte aber schon zuvor den privaten Sektor hinsichtlich Investitionen und Konsum mobilisieren.
Andererseits wird der Handelskonflikt mit den USA das noch immer exportorientierte Geschäftsmodell der Bundesrepublik beeinträchtigen und die BIP-Veränderung nach unten ziehen. In der Annahme, dass US-Zölle auf deutsche Produkte durchschnittlich 10% betragen könnten, schätzen wir den Effekt auf knapp -0,5 Prozentpunkte. In Summe gehen wir daher von einer Stagnation, also einem Wachstum von 0,0% im laufenden Jahr aus. Im Jahr 2026 sollte es aber erstmals wieder ein nennenswertes Wachstum geben. Zum einen hebt der Kalendereffekt die BIP-Steigerung bereits um 0,3 Prozentpunkte, zum anderen sollten die Weichenstellungen (u.a. Infrastrukturpaket, Sonderabschreibungsmöglichkeiten, Industriestrompreis) der neuen Regierung erste positive Ergebnisse zeigen.
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Prognosen auf einen Blick

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Exkurs Sondervermögen: Effekte noch unterschätzt?
Im März haben die Sondierer von Union und SPD mit Unterstützung der Grünen beschlossen, Verteidigungsausgaben über 1% des BIP von der Schuldenbremse auszunehmen und ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro über 12 Jahre für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 einzurichten. Wie ist dies einzuordnen?
In Relation zum BIP 2024 in Höhe von 4.305 Mrd. entsprechen 500 Mrd. Euro knapp 12%. Bei einer Gleichverteilung über 12 Jahre könnten damit 1% der Wirtschaftsleistung zusätzlich investiert werden. Der Fiskalmultiplikator, also um wie viel das BIP angekurbelt wird, wenn 1 Euro mehr Staatsausgaben getätigt werden, wird für Infrastruktur in der Wissenschaft selten unter 1,5 und eher zwischen 2 und 3 gesehen. Für Verteidigungsausgaben wird er meist zwischen 0,5 und 1,5 angenommen. Die Höhe hängt dabei an vielen Faktoren, z.B. an den wirtschaftlichen Bedingungen (in Schwächephasen mit hoher Arbeitslosigkeit können eher ungenutzte Ressourcen mobilisiert werden), der Finanzierungsweise (durch Schulden oder durch Steuererhöhungen) sowie letztlichen der Auswahl und Effizienz der Projekte (Wiederherstellung ursprünglicher Bedingungen oder Forschung & Weiterentwicklung).
Wenn die Staatsaugaben investiv und nicht konsumtiv sein sollen, wird zudem eine administrative Anlaufphase notwendig sein. Der Zyklus von Planung über Genehmigung und Vergabe bis hin zur Umsetzung sind bekanntlich lang – und je größer und komplexer die Projekte, desto länger die Phasen. Entsprechend dürften die Ausgaben erst in 3 bis 4 Jahren voll hochgefahren worden sein.
Für eine konservative Herangehensweise gehen wir vom unteren Ende der genannten Bandbreite aus. Zudem nehmen wir an, dass für Verteidigung ebenfalls rund 500 Mrd. Euro über 12 Jahre ausgegeben werden. Unter all diesen Annahmen würde die Wirtschaftsleistung 2028/2029 letztlich um 2 Prozentpunkte pro Jahr nach oben geschraubt.
Ein Sondervermögen von 500 Mrd. bzw. 1 Bio. Euro bedeutet viele neue Schulden. Zudem fehlen Strukturreformen zu Bürokratieabbau, Renten-, Energie- und Klimapolitik, die das Fiskalpaket flankieren würden bislang noch gänzlich. Doch bleibt auch festzuhalten, dass das Infrastrukturpaket dem entspricht, was viele Ökonomen lange Zeit gefordert haben. Angesichts der Dimensionen könnte der Effekt auf die Wirtschaftsleistung aktuell noch unterschätzt sein.