Der Zinsanstieg fordert seinen Tribut

Der Fall SVB Financial zeigt es
US-Regionalbanken in der Schieflage
Ende vergangener Woche konnte die SVB Financial Group, mit einer Bilanzsumme von 212 Mrd. USD die 16. größte Bank der USA, eine nach einem schneller als geplanten Liquiditätsabfluss angestrebte Sanierungs- und Rekapitalisierungsmaßnahme mangels Akzeptanz am Markt nicht durchführen. Daraufhin musste die US-Regierung eingreifen und die Sicherheit der Einlagen garantieren. In der Folge kam es insbesondere bei US-Regionalbanken zu weiteren, teilweise zweistelligen Aktienkursverlusten.
SVB Financial hat ein sehr spezielles Geschäftsmodell
Die SVB Financial Group hat ein sehr spezielles Geschäftsmodell: Die Bank versteht sich als Hausbank insbesondere für Wagniskapital-finanzierte Technologieunternehmen. Diese Unternehmen finanzieren sich über Zuflüsse von Investoren, diese Gelder liegen bei der SVB Group als Einlagen, bis sie benötigt werden. Wegen der hohen Zuflüsse in die Technologiebranche 2021 musste die Bank ungewöhnlich große Volumina in US-Staatsanleihen investieren. Dabei bestand die Absicht, diese zum großen Teil bis zur Fälligkeit zu halten. Durch den Zinsanstieg sind auf diese An-leihen nun zwischenzeitliche Buchverluste aufgelaufen, auch wenn diese zur Fälligkeit in ein bis zwei Jahren zu 100% zurückgezahlt werden. Das Problem von SVB Financial war nun jedoch folgende Situation: Den Kunden der Bank flossen nach dem steilen Zinsanstieg von ihren Investoren viel weniger Gelder zu als geplant, sie mussten Einlagen abziehen. Bei der SVB Financial Group musste diese Lücke nun durch den Verkauf der Anleihen, die eigentlich bis zur Fälligkeit gehalten werden sollen, gefüllt werden. Dadurch entstanden aus vorübergehenden buchhalterischen Einbußen echte Verluste.
Da sich die SVB sehr stark über Einlagen finanzierte, ist die Vernetzung mit anderen Finanzinstituten gering. Der Fall SVB Financial kann aber als Musterbeispiel dafür dienen, dass Geschäftsmodelle in der Niedrigzinsphase jahrzehntelang exzellent funktionierten, mit der heftigen Zinswende aber einem Realitätscheck unterzogen werden. Nachdem die Investoren lange Zeit über diese Fragestellung hinweg geschaut haben, sorgt diese Erkenntnis jetzt für stärkere Verunsicherungen und Schwankungen.
Wie geht es weiter?
- Nach den heutigen Erkenntnissen, insbesondere aufgrund des sehr speziellen Geschäftsmodelles der SVB, erachten wir es als ausgesprochen unwahrscheinlich, dass sich hieraus eine systemische Krise entwickelt. Damit dürfte es auch nicht zu einer Kettenreaktion kommen, die das Bankensystem in Gänze belastet oder gar in Turbulenzen bringt.
- Die weiteren Folgen des rasanten Zinsanstieges dürften sich allerdings auch in anderen Konstellationen zeigen. Die viel zu hohe Liquidität zum fast Nulltarif der letzten Jahre wird weitere empfindliche Geschäftsmodelle auf die Probe stellen und teilweise beenden. Damit wird das Risikobewusst-sein steigen, die allgemeinen Finanzierungsbedingungen werden sich verschlechtern und zu einer Verlangsamung der wirtschaftlichen Aktivitäten führen.
- Angesichts der jetzt klarer ersichtlichen Bremseffekte durch die bereits erfolgten Zinsanhebungen könnten die Notenbanken etwas weniger dynamisch bei den zukünftigen Leitzinsanhebungen vorgehen. Die in den letzten Wochen „ins Kraut geschossenen“ Leitzinserwartungen dürften korrigiert werden. Da der Kampf gegen die viel zu hohe Inflation noch nicht gewonnen ist, erwarten wir allerdings auch kein Aussetzen der angekündigten Zinserhöhungen. Als genauso unwahrscheinlich sehen wir es aufgrund des akuten Inflationsproblems an, dass die Notenbanken mit neuen Geldsalven wieder einmal die Welt retten. Hier gilt vielmehr: Eine kontrollierbare Krise hat etwas Bereinigendes und ist mit Einschränkungen auch nötig, um Neues zu schaffen.
Erkenntnisse
Anleihen: Weitere – etwas moderatere – Leitzinsanhebungen sollten sich fortsetzen. Wir setzen weiterhin auf Qualität bei Anleihen. Der abrupte Zinsrückgang bei längeren Laufzeiten hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig der Aufbau einer ausgewogenen Fälligkeiten-Struktur für die Diversifikation ist.
Aktien: Die vorherrschende Unbekümmertheit der Investoren, dürfte in eine Phase der wieder stärkeren Verunsicherung und damit Schwankungen wechseln. Die in Teilen zu hohe Bewertung der US-Aktien dürfte sich weiter reduzieren und damit auch wieder für zusätzliche Kaufanreize sorgen. Wir bleiben vorerst übergewichtet in Europa und sehen zusätzliche Chancen in Asien. Ein mögliches früheres Ende der zuletzt erwarteten Leitzinsanhebungen in Verbindung mit aufkommender Zinsphantasie für 2024 wirkt stimulierend auf die Aktienkurse.
Prognosen: Die neuen Erkenntnisse führen nach unserer Einschätzung nicht zu der Notwendigkeit einer Revision unserer Jahresprognosen. Neue Schlüsse könnten dabei aus den kurzfristig anstehenden Notenbanksitzungen abzuleiten sein.
Stand 14.03.2023