Inflation: Die Kernrate ist das Problem

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Der Anstieg der Inflationsraten hat sich in den vergangenen Monaten deutlich abgeflacht. Teilweise sind sie sogar stark rückläufig. Gleichwohl senden die Zentralbanken bisher keine Entspannungssignale. Im Gegenteil: Immer wieder wird von den Währungshütern darauf hingewiesen, dass weitere Leitzinsanhebungen erforderlich sind, um den Preistrend zu brechen und die Inflationsraten auf den Zielwert von 2% zurückzuführen.
Kernrate im Fokus
Im Fokus der Notenbanken ist dabei weniger die den gesamten Warenkorb erfassende Headline-Inflationsrate, sondern die um Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kernrate der Inflation. Manchmal, so bei der Europäischen Zentralbank (EZB), werden auch noch die Preise für Tabak und Alkohol herausgerechnet.
Die Kernrate erlaubt daher einen unverfälschten Blick auf den grundlegenden Preistrend, der nicht durch die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel verzerrt ist. Während die Nahrungsmittelpreise starken saisonalen Schwankungen unterliegen, werden die Energiepreise zumindest teilweise durch das Erdölkartell der OPEC plus gesteuert.
Headline-Inflation auf dem Rückzug

Die Headline-Inflationsraten schnellten ab Mitte 2021 rasant nach oben und übertrafen dabei teilweise jahrzehntealte Höchststände. Die für die Notenbanken bedeutenden Zeitreihen (schwarz für die USA, rot für die Euro-Zone) haben jedoch ihre Hochpunkte bereits deutlich überschritten. Die US-Headline-Inflation erreichte den Gipfel mit 9,1% bereits im Juni vergangenen Jahres und sank im Januar auf 6,4%. Die Euro-Inflation lag in der Spitze bei 10,6% im Oktober und fiel im Februar auf 8,5%.
Kernraten ohne Abwärtstrend

Ganz anders sieht es bei den Kernraten aus. In den USA bewegt sich die Kernrate der Konsumausgaben (Core PCE, Personal Consumption Expenditutes) seit etwa einem Jahr unter leichten Schwankungen seitwärts. Der von der US-Notenbank angestrebte Abwärtstrend ist bisher nicht erkennbar. Und in der Euro-Zone zeigt der Trend der Kernrate bisher sogar unverändert nach oben.
Wie geht es weiter?
Die Kernraten werden von den Unternehmen durch die Weitergabe höherer Kosten für Material, Personal, Energie und Logistik „gefüttert“. Da die Anzahl der Unternehmen, die Preiserhöhungen planen, weiter abnimmt, sollte sich auch bei den Kernraten langsam ein Abwärtstrend herausbilden. Der Abstieg vom Inflationsgebirge dürfte sich jedoch relativ zäh gestalten.
Zielwert nicht erreichbar
Am Jahresende könnte zwar sowohl bei der Euro-Kernrate als auch bei der Core PCE wieder die Drei vor dem Komma stehen. Die Jahresdurchschnittswerte 2023 dürften jedoch mit 4% in den USA und 4,5% in der Euro-Zone weit über den Zielwerten liegen.
Fazit: Die Notenbanken in den USA und der Euro-Zone werden ihren restriktiven geldpolitischen Kurs wahrscheinlich noch eine Weile fortsetzen. Die Leitzinsen dürften dabei etwas höher steigen als bisher erwartet und auch länger auf dem erhöhten Niveau verharren. „Higher for longer“ lautet daher das aktuelle Motto bei der Einschätzung der Leitzinsen.