Öl- und Gaspreise im Sinkflug

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Die Preise der Energierohstoffe haben sich nach dem vorjährigen Höhenflug wieder deutlich ermäßigt. Ein Fass Nordseeöl Brent kostet mittlerweile zwischen 80 und 90 US-Dollar. Und für eine Megawattstunde Erdgas werden aktuell weniger als 60 EUR gezahlt. In der Spitze waren es mehr als 300 EUR. Beide Notierungen liegen derzeit unter ihrem Vorjahresniveau.


Warum sinken die Preise?
Der relativ milde Winter sowie die Einsparungen von Haushalten und insbesondere Unternehmen führten zu einem deutlich geringeren Energieverbrauch. Zudem sind die europäischen Gasspeicher derzeit höher befüllt als zu Jahresbeginn üblich.
Darüber hinaus ließ die bis Ende 2022 anhaltende konjunkturelle Schwächephase Chinas die globale Nachfrage nach Energierohstoffen sinken.
Wie geht es weiter beim Öl?
China zählt zu den weltweit größten Nachfragern nach Energie. Das Reich der Mitte dürfte nach dem Ende der rigiden Null-Covid-Strategie konjunkturell wieder kräftig wachsen. Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) rechnen wir 2023 mit einem Plus von mindestens 4% (2022: +3,0%). Die Nachfrage Chinas nach Öl, Gas und Kohle sollte daher deutlich zunehmen und die Energiepreise stützen.
Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet im laufenden Jahr mit einem Anstieg der globalen Ölnachfrage um 1,9 auf 101,7 Mio. Barrel pro Tag (bpd). Die Hälfte des Anstiegs wird der Konjunkturerholung Chinas zugeschrieben. Darüber hinaus soll der stark zunehmende Luftverkehr die Nachfrage kräftig steigen lassen.
Das globale Ölangebot wird laut IEA dagegen lediglich um 1 Mio. bpd zunehmen. Der aktuelle Angebotsüberhang von 1 Mio. bpd dürfte bald aufgebraucht sein. Die IEA rechnet daher in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit steigenden Ölpreisen.
Dies deckt sich mit der Einschätzung einiger Großbanken (UBS, Morgan Stanley, Goldman Sachs), die im Laufe des Jahres Preise von etwa 110 USD für ein Barrel Nordseeöl Brent erwarten.
Die norwegische Notenbank Norges Bank dagegen sieht eher etwas schwächere Notierungen. In ihrer Dezember-Projektion rechnet sie beim Fass Nordseeöl mit Preisen von 77 USD in diesem Jahr, 75 USD in 2024 und 73 USD in 2025. Auch die Bank of England erwartet mittelfristig leicht rückläufige Ölpreise. Sie rechnet in ihrer Januar-Projektion mit 81 USD in diesem Jahr, 77 USD in 2024 und 73 USD in 2025.

Tendenziell leicht rückläufige Öl-Notierungen erwartet auch die U.S. Energy Information Administration (EIA). In ihrer Januar-Analyse liegen die Nordseeöl-Brent-Preise bei 83 USD in diesem Jahr und 78 USD in 2024. Die Notierungen für das amerikanische WTI-Öl sollen von 95 USD in 2022 auf 77 USD in 2023 und 72 USD in 2025 fallen.
Fazit Erdöl: Ein weiterer kräftiger Rückgang der Ölpreise ist nicht zu erwarten. Realistisch erscheint eine Spanne von 80 bis 100 USD für das Fass Nordseeöl.
Wie geht es weiter beim Gas?
Es sind kaum Prognosen für die längerfristige Gaspreisentwicklung vorhanden. Konsensfähig ist die Aussage, dass es wohl keine Rückkehr zu den Notierungen vor Putins Krieg geben wird. Zumal das heute zunehmend verwendete Flüssiggas (LNG) bereits in den vergangenen Jahren deutlich teuer war als russisches Gas.
In den Jahren von 2005 bis 2021 kostet die Megawattstunde Gas durchschnittlich rund 19 EUR. Aktuell notiert sie mit knapp 60 EUR.

Eine Studie der Prognos AG sieht den langfristigen oberen Gaspreis bei 35 EUR pro MWh. Dies wäre knapp das Doppelte des langjährigen Durchschnittspreises vor Putins Krieg. Die Höhe wird maßgeblich bestimmt vom Preis für Henry Hub, dem Terminkontrakt für US-Erdgas der Sorte Henry Hub. Der Henry Hub-Preis ergänzt um die Kosten für Verflüssigung, Transport und Regasifizierung ergibt schließlich den Preis für das US-LNG in Europa. Die Prognose-Spanne reicht in der Studie von 24 bis 35 EUR/MWh.
Fazit Erdgas: Die häufig anzutreffende Einschätzung, der Gaspreis dürfte sich in den kommenden Jahren bei etwa dem Doppelten des früheren Niveaus einpendeln, scheint plausibel.
Gesamtfazit: Von den Öl- und Gaspreisen werden immer weniger direkte inflationäre Effekte ausgehen. Da die Preise jedoch auch weiterhin relativ hoch bleiben, erhöhen sie die Produktionskosten der Unternehmen, grenzen die Kaufkraft der privaten Haushalte ein und dämpfen letztendlich die konjunkturelle Entwicklung.
Anhang
Erdöl: Woher stammt es?
USA werden größter Ölförderer
Die USA erhöhten im Zuge einer kräftigen Ausweitung der Ölförderstätten ihre Produktion 2022 auf 11,9 Mio. Barrel pro Tag. In diesem Jahr soll sie gemäß EIA auf 12,4 bpd und 2024 sogar auf 12,8 bpd ausgeweitet werden. Damit würden die USA an Saudi-Arabien vorbeiziehen.

OPEC+ steuert das Angebot
Rund die Hälfte der globalen Ölproduktion stammt von der OPEC+. Dabei handelt es sich um die 13 Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), ergänzt um Russland, Mexiko, Kasachstan, Aserbaidschan sowie sechs weitere kleinere Ölförderländer. Nach dem Corona-bedingten Konjunkturabsturz nahm das Kartell im Sommer 2020 rund 10% der Weltproduktion aus dem Markt, um den Öl-Nachfrageinbruch zu kompensieren. Mit befristeten Förderbegrenzungen übt die OPEC+ weiterhin großen Einfluss auf die Preise am Rohölmarkt aus. Aktuell hält sie ihre Ölproduktion auf dem im vergangenen Jahr um 2 Mio. bpd gesenkten Niveau konstant.

Wo gibt es freie Kapazitäten?
Mit Förderkapazitäten von 12,2 bpd ist Saudi-Arabien die unumstrittene Nummer Eins der OPEC+. Angesichts einer aktuellen Förderung von 10,5 bpd kann Saudi-Arabien die Ölproduktion zudem noch spürbar erhöhen. Bedeutende Kartellmitglieder sind der Irak (Kapazität 4,7 bpd) und die Vereinigten Arabischen Emirate VAE. Die VAE könnten mit einer Kapazität von 4,1 bpd und einer Förderung von 3 bpd ebenfalls das Angebot nennenswert erhöhen. Gleiches gilt für den Iran mit einer Kapazität von 3,8 bpd und einer Produktion von 2,7 bpd. Russland verfügt zwar über Förderkapazitäten von 10,2 bpd, die jedoch wegen Putins Krieg nicht voll genutzt werden können. Die russischen Ölexporte schrumpften zuletzt auf 7,8 bpd.
Erdgas: Woher stammt es? Wo wird es verbraucht?
Gemäß dem Gas Market Report der Internationalen Energieagentur (IEA) werden 2023 weltweit insgesamt 4.132 Mrd. Kubikmeter (bcm) Gas gefördert. Dem steht eine Nachfrage von 4.127 bcm gegenüber.
Das meiste Gas wird in Nordamerika gefördert. Alleine auf die USA entfallen 25% der gesamten Weltproduktion. 18% stammen aus dem Nahen Osten und jeweils 16% aus Russland und der Region Asien-Pazifik.
Die größte Gasnachfrage gibt es in Nordamerika, wo 27% der gesamten Weltproduktion verbraucht werden. Alleine auf die USA entfallen 21%. In der Region Asien-Pazifik werden 23% der globalen Produktion nachgefragt, davon 10% in China. 13% der Gasnachfrage entfallen auf Europa und 15% auf Eurasien (davon Russland 12%).